Selten hat eine Klassenfahrt wohl so lange auf der Kippe gestanden … nachdem das Schulministerium Fahrten im Inland gestattet und die Schulleitung ihren Segen gegeben hatte, Begleitpersonen gefunden waren, dauerte es nur noch so knappe zwei Wochen (wir hatten schon Ferien!) bis (fast) alle Eltern „im Boot waren“ und die Stornofrist auch abgelaufen war.
„Jetzt läuft es“, glaubten wir, aber dann mussten wir erfahren, dass unser gebuchtes Hotel nicht etwa wegen Corona noch geschlossen war, sondern ein Wasserschaden hatte es heimgesucht. Schade, liegt es doch strategisch günstig, direkt neben dem Berliner Hauptbahnhof. Das alternative Haus war durchaus attraktiv – nur, dass wir jetzt „programmmäßig“ umdenken mussten, da es sich doch deutlich weiter vom Zentrum entfernt in Alt-Moabit befindet.
Keine Stolpersteine mehr?! Doch, doch: als unsere Sitzplatzreservierungen eintrafen, stellten wir fest, dass genau die von uns belegten Großraumwagen im ICE von und nach Berlin laut Wagenreihung nicht vorgesehen waren. Sehr schade, dass es so kurz vor Abfahrt nur noch wenige verfügbare Plätze gab – doch auch dafür wurde eine Lösung gefunden: wir fuhren einfach mit zwei unterschiedlichen Zügen nach Berlin.
Wir trafen also munter (munter?!) Sonntagmorgen um 6:40 am Stolberger Hbf ein und starteten um 7:00 Richtung Köln, wo wir 45 bzw. 65 Minuten Zeit hatten, um unsere beiden ICE nach Berlin zu „entern“. 65 Minuten Umsteigezeit waren auch lange genug, um potentielle Nachzügler noch via S-Bahn ab Düren rechtzeitig zusteigen zu lassen – perfekte Planung … Nun denn, „maskiert“ nach Berlin… und in Hamm werden aus den zwei Zügen wieder einer und wir kommen gemeinsam an! Aber wie soll es anders sein: Planänderung… Zugteil I hat einen Schaden und Verspätung, Zugteil II (10a) fährt ohne die 10a und die 10b „alleine“ nach Berlin und ist auch zuerst im Hotel (die Letzten werden die Ersten sein). Im Hotel sind noch nicht alle Zimmer fertig, aber die 10a und die 10b können die ihrigen nach ihrer verspäteten Ankunft quasi sofort beziehen(die Letzten werden die Ersten sein).
Egal, irgendwann hatten alle eingecheckt, die Zimmer belegt, den Hunger am direkt nebenan gelegenen Döner-Imbiss gestärkt und ab in die Stadt: zu Fuß, mit der S-Bahn, mit der U-Bahn, mit der Tram und wieder zu Fuß. Berlin-Mitte mit dem Reichstag, dem Brandenburger Tor, dem Gendarmenmarkt, dem Bebelplatz, der Humboldt-Universität, dem Berliner Dom, der Museums-Insel, dem Roten Rathaus, dem Alex, den Hackeschen Höfen … ist unser! Essen angesagt… Später nochmal zum dann beleuchteten Brandenburger Tor und dem bunt angestrahlten Zeltdach beim Sony-Center am Potsdamer Platz … klingt nach vielen Kilometern? Waren es auch – meist mehr als 15!
Die Nacht war ruhig… der folgende Tag startete mit einem „Grab&Go-Frühstück“ im Kleinen Tiergarten, da das Hotel Corona-bedingt das übliche Buffet nur unter strengen Auflagen und nicht für Gruppen anbieten durfte. Die mitgebrachten Picknickdecken ließen das Ganze heimelig und gemütlich wirken – aber die kleinen und größeren Tiere (Wespen und Nager) veranlassten uns dazu, an den folgenden Tagen lieber doch in den Zimmern zu frühstücken. Auf dem Programm standen für die Klassen zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Tagen Besuche des Holocaust-Denkmals, der Ausstellung „Topographie des Terrors“, des Spionagemuseums, des „Futuriums“, des Computerspielemuseums, der Eastside-Gallery … Einige SchülerInnen durften auch den Bundestag und die Kuppel besuchen und alle waren irgendwann am Checkpoint Charlie.
Auch das KaDeWe – Luxuskaufhaus par excellence – haben wohl alle mal gesehen. Eingekauft haben dort einige auch… hochpreisige Edel-Düfte, Kosmetika und Donuts (3 Stück zu 10€) fanden sich in den stylischen Tüten. Erstaunlicherweise war im Westen viel mehr Betrieb als im Osten – das war in den letzten Jahren anders.
Obligatorisch vom Kudamm aus ist die Visite am Breitscheid-Platz, wo in diesem Jahr weit weniger Blumen und Kerzen niedergelegt waren. Andere Sorgen treiben die Bürger um – und auch unsere Zehntklässler wissen kaum, was dort vor gar nicht langer Zeit geschehen ist. Ob alle im Anschluss die beeindruckende Atmosphäre, diese besondere Ruhe in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche gespürt haben, wenn man eintaucht in das blaue Licht, das durch die unzähligen Fenster strahlt?
Zwei klassenübergreifende Abendveranstaltungen gab es am Montag: eine Gruppe der ab 16jährigen lieferte sich begleitet und unterstützt von ihren Lehrern wilde LaserTag-Gefechte im Underground, während die anderen in einem alternativen und auch nicht sonderlich komfortablem „nur für die Realschule Mausbach“-Kino eine ältere Comedy sahen.
Gemeinsam – wenn auch in kleineren Gruppen und mit Abständen – besuchten alle drei Klassen am Dienstagnachmittag das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Nachdenklich stimmte es hier, die Parallelen zu den Berichten über die Naziherrschaft (Topographie des Terrors) zu entdecken …
Am Abend des Dienstags waren alle gemeinsam zum Burgeressen und Partybowlen in Berlin-Marzahn. Bei fetziger Musik und entsprechender Beleuchtung machte das einen Riesenspaß – diese schon „traditionelle“ Veranstaltung gilt nicht umsonst als Highlight jeder Berlinfahrt. Aber ganz schön tief im Osten ist es schon…
Den letzten Tag verbrachten die Klassen wieder mit unterschiedlichen Aktivitäten: noch ausstehenden Museumsbesuchen, einer Fahrt nach Potsdam und Besichtigung vieler Prachtbauten und einem ausgedehnten Spaziergang durch den Park Sanssouci, Sommerrodeln und Seilbahnfahren in den „Gärten der Welt“… .
Zwei der Klassen trafen sich am frühen Abend auf dem Fernsehturm und waren begeistert vom Ausblick auf die vielen in den Tagen vorher besuchten oder erwanderten Sehenswürdigkeiten. Noch etwas später wäre vermutlich noch etwas besser gewesen: den Sonnenuntergang von 203 Metern Höhe aus zu sehen – traumhaft. Und das Wetter hatte auch mitgespielt.
Am Abend hatten wieder alle dasselbe Programm, die Gruseltour durch das Nikolaiviertel, das älteste Viertel Berlins. Geschichtlich interessant, die Vorstellung aber mäßig unterhaltsam – auch in Abhängigkeit von den Guides, die unterschiedliche Charaktere darstellten und denen es dementsprechend unterschiedlich gut gelang, die Zehntklässler mit in die Geschichte hinein zu nehmen.
Der letzte Tag nahte… inzwischen wurden die Grab&Go-Frühstücks-Tüten auch nach Wunsch befüllt und Kaffee oder andere heiße Getränke gab es obendrein.
Nach einigen Einkaufsrunden wollten wir uns aufmachen Richtung Heimat. Das Treffen in den Zimmern zum Einsammeln der elektronischen Zimmerkarten und nachfolgendem Auschecken wolle allerdings nicht so recht gelingen, da die Karten frühzeitig (viel zu früh!) ungültig geschaltet worden waren. Da wurde es auf einmal doch noch etwas hektisch, schließlich mussten wir noch zum Bahnhof, also 300m zu Fuß zur Bushaltestelle und dann mit dem TXL (Texel=Tegel)-Bus zum Hbf.
Schließlich meisterten wir auch diese Hürde und kamen am Abend pünktlich, erschöpft, aber alle wohlbehalten wieder in Stolberg an. Froh wie selten, dass nichts Schwerwiegendes passiert war und stolz, dass wir es auch in dieser besonderen Zeit geschafft hatten, nach Berlin zu fahren.
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